Erkenntnis


Samstagnachmittag im örtlichen Supermarkt bei mir um die Ecke. Leicht verschlafen, trage ich gekonnt zur kaum wahrnehmbaren, einschläfernden Gedudel der hiesigen Musikanlage, meinen Einkaufskorb durch die nahezu vereinsamten, leeren Gänge. Warum an einem Samstag die meisten Leute unbedingt am Vormittag einkaufen gehen kann ich mir nicht erklären, aber was soll’s? So habe ich zumindest meine Ruhe.

Keines der gefüllten Regal macht den Eindruck das hier etwas jetzt und auch in ferner Zukunft jemals mal Mangelware sein könnte. Zahlreiche Kühe grinsen mich fast schon zu fröhlich von diversen Packungen an und preisen mit einer Selbstverständlichkeit auf ihren niedrigen Anteil an Fetten und dem hohen Anteil an lebensnotwendigen und nicht notwendigen-aber-sollte-man-dennoch-haben vorbeugenden Gesundheitsstoffen.

Ich greife nach dem weißen Gold im handlichen Tetra Pack und lass es behutsam in den Einkaufskorb gleiten. Eine Päckchen sollte fürs Wochenende reichen! Einen Schritt weiter stapeln sich Käsescheiben in ihren Brutkästen und jede schreit stumm Dinge wie „Nimm mich! Nimm mich!“ oder „Ich bin billiger und würziger im Geschmack!“ – die Qual der Wahl.

Während ich meinen Blick auf eine qualhafte Auswahl an Käse wandern lasse – schiebt sich ein Einkaufwagen an mir vorbei. Antreibende des Wagens ist ein kleines Mädchen, vielleicht 6 oder 7 Jahre alt, das sich nahezu auf Augenhöhe mit dem Griff des Wagens befindet. Neben ihr steht ihr Vater, ein mürrisch drein blickender Mann mit einer großen Brille und spärlichen Haarwuchs auf dem Kopf. Er macht mir den Eindruck als wären die besten Jahre seines Lebens nur noch ein vage Erinnerung. Schulter wie Mundwinkel hingen schlaff herab.

Anders das Mädchen: ein wahrer Sonnenschein! Sie hat Spaß einkaufen zu gehen und sie zeigt es: Sie strahlt über das ganze Gesicht! Sie ist Teil von etwas Besonderem und lässt sich das nicht vermiesen. Ihrem Vater beantwortet sie fröhlich jede brummend gestellte Frage mit Hilfe des Zettels in ihrer Hand.

„Brochn wia Woscht?“
„Nein Papa! Die brauchen wir nicht!“
„Brochn wia Kääs?“
„Ja Papa!“

Der Vater greift wahllos in das Käseregal, zieht eine Packung heraus und wirft sie achtlos in den Wagen,

Da passiert etwas: Der Kopf des Mädchens verfärbt sich in ein traumhaftes Weinrot, die Backen aufgeplustert und Wut blitzt in ihren Augen auf. Zwar passiert das alles in wenigen Sekunden aber dennoch beschleicht mich der Gedanke der Kopf des Sonnenscheinchens könnte explodieren. Doch bevor ich irgendwie reagieren kann bricht es aus ihr heraus:

„PAPA!!!“

Stille wie sie nur in der Arktis zu hören ist.

„SCHMEISS DIE SACHEN NICHT IN DEN WAGEN! DAS WOLLEN WIR SCHLIESSLICH NOCH ESSEN!!!“

Verblüfft schaut der Vater sich sein Dezibilmonster an. Während die Farbe seiner Tochter sich so langsam in gesundere Gefilde bewegt, bewegt sich seine eigene in Richtung Totenbleich. Das Mädchen zieht einen Schmollmund und schiebt mit erhobenem Kopf den Wagen weiter. Der Vater sieht ihr hinterher.
Ich greife nach einem Päckchen Käse, lege ihn behutsam in den Korb und bewege mich am Mann vorbei. Nein, ein Glucksen kann ich mir nicht vermeiden und noch weniger ein Grinsen als ich ihn murmeln höre:

„Verdammt! Sie kommt nach ihrer Mutter!

  1. #1 von Sabine am 18. März 2008 - 10:27

    Ein zufriedenes Grinsen schleicht sich über meine Gesichtszüge. Braves Mädchen! Und der Vater hat’s nicht anders verdient!! Hihi

  2. #2 von Fylgien am 20. März 2008 - 9:25

    Mein erstes Lachen heute. XD
    Wie war des mit Essen spielt man net. Genau des gleiche trifft auch auf den Umgang mit den Lebensmitteln so. ^^
    Die Kleine hätte ich zu gern gesehen. ^^

(wird nicht veröffentlicht)