Der Geschmack von Schnee


Kälte besitzt keine Farbe nur Schärfe. Die kalte Luft lässt lediglich unsere Gesichter erröten während wir an unserem Platz auf der kleinen Brücke stehen. Der kleine Fluss über den sie geht hat sich versteckt. Unter einer dicken Schicht aus Eis und Schnee zieht er weiter, ohne sich bemerkbar zu machen, seine Runden. Hinfort durch andere Gegenden und Länder, immer weiter in Richtung des großen Meeres. An seinen Ufern hängen schlafend, struppig und zerzaust die Reste vergangenen Lebens.

Der Wind pfeift schneidend ein Liedchen, schafft es die starren Reste ein wenig hin und her zu schütteln. Schnee wirbelt auf, zerstreut sich gemächlich hier und da und bedeckt wie eine frisch aufgeschüttelte Decke die Spuren aller Leberwesen. Er pfeift nicht sonderlich gut: Seine Melodie zieht sich in die Länge, wird schrill und hoch, unterstreicht aber das Wesen der einseitigen Landschaft. Würde der Wind nicht singen, wäre dies der Geburtsort jeder Stille.
Auf unseren linken Seite ein dunkles Gehölz. Düster und bedrohlich schreckt es jeden Gedanken Wärme ab. Es erscheint mir als wurden sämtlichen Tönen hinaus gelöscht, keine Vielfalt nur Eintönigkeit in Melodie und Bild. Und mittendrin wir beide in unseren Mänteln, unseren Stiefeln, unseren Mützen, Handschuhen und unseren Spuren im Schnee. Bei diesem Gedanken fühle ich mich unwohl, zu viel Kontrast, ein winziger Fleck auf der leeren Landschaft. In solchen Momenten wirkt Farbe fehl am Platze aber farblose Kleidung mag niemand anziehen.

Du stehst da, über das Geländer gebeugt, in die Ferne schweifend. In deinem Fleecepullover aus warmen Terracotta, den marineblauen Handschuhen, deinem langen Rock aus rotem Rost, deinen so tief sich im Schwarz verlierenden Stiefeln erhebst du dich aus der Umgebung. Deine blonden Haare fließen aus deiner warmen mausgrauen Wollmütze und verfestigen sich in einem einfachen Zopf. Eine Königin in dieser Welt in der Farben ohne Einwirkung von selbst zu leuchten beginnen.
So wie deine grünen Augen. In ihnen brennt in Momenten wie diesen mehr Leben als jemals zu zuvor und wenn du mich ansiehst dann kann ich die Reflektion meines Spiegelbildes darin entdecken. Was magst du gerade denken? Denkst du an uns? Denkst du an das Leben? An diese auf den ersten Blick scheinbar tot Welt? Was denkst du?

Dein Mund öffnet sich und Worte lösen die Stille in den Augenblicken ab in denen der Wind wieder zu Atem kommt. Ich sauge die Worte auf ohne ihnen wirklich Aufmerksamkeit zu schenken. Ich verstehe ihren Inhalt auch so.
Du ergreifst meine Hand und schenkst mir ein wärmendes, helles Lächeln, dann schaust du wieder in die Ferne. Dann und wann kann ich deinem Atem sehen der in den fies, schmutzig grauen Hintergrund kleine Bilder hineinzeichnet. Kleine Kunstwerke, scharf gezeichnet, die sich von Sekunde zur Sekunde verändern, variieren, aufweichen und letztendlich wie der Geschmack eines Bonbons auf der Zunge im Raum entfalten.

Ich denke über uns nach, war es nicht ein Tag wie dieser gewesen? Die Schule war vorbei und auf den Weg nach Hause alberte ich mit ein paar Freunden rum. Wir bewarfen uns gegenseitig mit Schneebällen, versteckten uns hinter verschneiten Autos und Bäumen. Ich hatte mich aus meinem Versteck hinter einen Wagen in die Nähe meiner Freunde geschlichen. Die Hände voller Schneebälle, gewappnet zum Kampf, brachte ich mich in bester Schussposition: Direkt hinter ihnen. Mit einem Triumphschrei erhob ich mich da traf mich etwas furchtbar kaltes am Hinterkopf. Ich lies die Bälle fallen und drehte mich um. In einigem Abstand standest du mit dem süßesten Lächeln und zwinkerte mir zu. Wie gebannt starrte ich dich an. Dann trafen mich die anderen und seiften mich furchtbar ein.

Inzwischen hat es angefangen zu schneien. Schneeflocken, saftig große wie feine kleine regnen hinab und setzten sich wie Puderzucker auf die Welt. Ich öffne meinen Mund und strecke meine Zunge hinaus. Der Schnee schmilzt auf meiner Zunge kaum hat er sie berührt.
Im Glanz des fröhlichen Kristalltanzes um uns herum fragst du mich wie Schnee schmeckt.

Ich küsse Dich liebevoll.

Genau so…

  1. #1 von Hermann am 8. Januar 2009 - 14:53

    Schööööön!

(wird nicht veröffentlicht)