eine Lüge weniger


Er hatte mich nicht gesehen am vergangenen Freitag und das war auch gut so. Ich wollte nicht das er mich sieht. Dies hätte das übliche Prozedere an Fragen nach sich gezogen. Fragen, die ich nicht unbedingt mag weil sie lediglich Lückenfüller oder Heucheleien im Alltag mit flüchtigen oder ehemaligen Bekannten sind.

Das letzte Mal haben wir richtig zu Schulzeiten miteinander gesprochen, danach sahen wir uns hier und dann mal bei einer Veranstaltung, in der Bahn oder auf der Straße. Das Spiel, dass man bei solchen Gelegenheiten spielt wurde seinerzeit ganz treffend von der Sparkassenwerbung aufgegriffen. Man zeigt was man hat und das man besser als der andere ist. „Wie geht es Dir?“ ist dabei Anfang und „Was machst Du?“ die Fortsetzung und wie so oft ist die Fortsetzung schlechter als der Anfang. Dann sitzt man zusammen und füllt die Zeit mit Floskeln ohne wahrer Bedeutung, mit Geschichten aus der Vergangenheit, letzten Endes ohne ehrlich Interesse an einander bis zu dem Zeitpunkt wo man sich auf Jahre wieder trennt.

Dieses Spiel habe ich seit dem Ende meiner Schullaufbahn gespielt. Niemals gerne, immer nur weil ich dachte das es von mir so verlangt wird. Doch nach so vielen Jahren bin ich des Spielens, des heucheln von falschen Interesse müde geworden. Nicht das ich mich nicht für meine Mitmenschen interessiere, doch gehen einseitige Interessen Hand in Hand mit einseitige Desinteressen und wer trotz Desinteresse Interesse vorgibt, lügt in meinen Augen. Es gibt jetzt schon genug Lügen auf dieser Welt.

Wer denkt das ich hier etwas über mehr Ehrlichkeit in der Welt propagieren will, irrt. Es geht einzig und alleine nur darum das ich nicht mehr solches Interesse heucheln will. Wer das machen will, den werde ich keines besseren belehren. Als ich ihn sah, schaut ich ihn kurz an und verstand: Nicht alles aus der Vergangenheit braucht weitergesponnen oder verfolgt zu werden.

Er las auch weiterhin in seiner Zeitschrift als ich meine Schritte in die Gegenrichtung lenkte und ganz am anderen Ende der Bahn nieder lies, wo er mich nicht sehen konnte.

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