Weiße Farbe


Wer im Leben steht stellt mitunter fest, dass das selbige immer wieder Fragen aufwirft, deren Antwort es gerne schuldigbleibt. Die wohl meisten Fragen beginnen wohl mit einem „Wie“ – „Wie geht es dem? Wie geht es der? Wie kam es dazu?“ – gefolgt von „Warum“ – „Warum ich? Warum kam das so?“. Die Gewissheit einer unbefriedigten Antwort nagt an einem und so manche Person neigt dazu immer wieder in der Suppe der Gedanken und Erinnerungen umher zu rühren um vielleicht doch mal einen Fetzen Fleisch zu ergattern.

In jener Suppe rührte ich in der gestrigen Nacht einige Male ohne wirklich zu wissen warum ich es tat. Auslöser dafür war eine kleine, jedoch tragische Geschichte über eine flüchtige Bekannte die ein Freund M. mir zu erzählen wusste.

Wir kamen aus dem Brauhaus das in der Nähe meiner Wohnung liegt. Wir hatten uns doch mit dem lang nicht mehr gesehenen Freund H. aus dem Norden getroffen und uns neben alten Erinnerungen neue Geschichten aus unserem Leben erzählt. Da ich beide angeboten hatte sie nach Hause zubringen begaben wir uns auf dem Weg zu meiner Wohnung um in meinen Wagen zu steigen als die Geschichte über die Bekannte A. aufkam.

Ich hatte A. selbst nur zwei oder dreimal gesehen und es war weniger ihre Art oder ihr Aussehen weswegen sie mir in Erinnerung geblieben war als das Bild das sie zu Schulzeiten an die Wand im Zimmer von M. malte: Ein großer in grau und weiß erstrahlender Schriftzug auf tiefblauem Hintergrund von M. damaligen Lieblingsspiel Final Fantasy. Die Wand in Blau hatten wir M. und ich Tage zuvor selbst blau gestrichen was weniger wegen der Fläche als wegen den Rändern eine Schweinearbeit war. Da wir beide zum ersten Mal eine Wand strichen, waren uns Selbstverständlichkeiten wie Ränder abzukleben so fremd wie Steinen ein ABC Pflaster. Stundenlang saßen wir da und pinselten mit größter Sorgfalt die Ränder möglichst sauber ohne einen wirklichen nennenswerten Erfolg.

A., so sagt mir meine Erinnerung, hatte ein gewissen Talent zum Malen: Ihr reichte als Vorlage die schon leicht zerrissene Umschlagseite des Final Fantasy Spielhandbuchs und so malte die mit ruhiger und zielstrebiger Hand in wenigen Stunden das komplette Logo. M. war sehr zufrieden mit ihrer Arbeit die für den Rest seiner Zeit sein Zimmer zierte und im Anschluss von weißer Farbe seiner Existenz beraubt wurde.

Von A. hatte ich seitdem weder was gehört noch gesehen und auch M. schien sie mit der Zeit gänzlich aus den Augen verloren zu haben – bis gestern.

Unter unseren Füßen knirschte freudig der Streusplitt als M. von A. zu erzählen begann: Sie hatte nicht lange nach der Schule mit ihrem damaligen Freund ein Kind bekommen. Das Glück war jedoch von kurzer Dauer: das Paar zerstritt sich kurz darauf und so zog sie mit dem Kind aus der gemeinsamen Wohnung aus. Auch aus der Ferne kam es immer wieder zwischen beiden zu Streitigkeiten wegen diversen Dingen. Der Ex-Freund und Vater, voller, in Alkohol gebadeter, Wut, tauchte eines Tages vor ihrer Wohnung auf und sie starb als sie ihm die Türe öffnete: Er hatte ihr ein Messer in den Körper gestoßen…

Was folgte war eine Ernüchterung. Der Rausch wich der Erkenntnis über die das Geschehene und blanke Angst ergriff ihn und mit ihm die Panik. Er lief davon und als eine Art von Läuterung wollte sich der Vater vor einen Zug werfen. Es blieb beim Versuch, denn der BGS stoppte ihn rechtzeitig. Für den BGS war das jedoch nur der Anfang zu einem traurigen Hintergrund…

In jener Nacht dachte ich an die wenigen Momente in denen ich A. gesehen hatte. Sie war zu einer kleiner Erinnerung in dieser Welt geworden deren einzige mir bekannte Hinterlassenschaft unter weißer Farbe begraben war.

  1. #2 von der Kaiser am 8. Januar 2008 - 11:16

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