Tauschhandel heute und damals


Viele Leute die sich nur wenig oder gar nicht für Fußball interessieren werden nicht erst im nächsten Monat während der WM in unseren Landen zu einer unbedeutenden Randgruppe. Nein, schon jetzt sind viele in solch eine Randgruppe reingeschlittert und fristen ausgegrenzt von der Gesellschaft ein Leben in den Schatten der endlosen Werbeveranstaltung der FIFA. Ich kann mich nicht dran erinnern jemals in so kurzer Zeit so viel Schrott zu einem Großereignis gesehen zu haben und der arme Goleo ist sicherlich nicht das Schlimmste.


Die Leute die heute vom kulturellen Leben verbannt wurden sind die, die sich nicht an dem Sammelwahn der Panini Bildchen beteiligen. Ich gestehe, zu Schulzeiten habe ich das ja auch gemacht. Jeden Pfennig für die begehrten Päckchen beiseite gelegt, im Kiosk um die Ecke das Roulett der Päckchen gespielt und war dem Herzinfarkt nahe wenn es darum ging zu entdecken welche bildvollen Schätze die Packung preisgab. Alleine der Duft der an den Bildern hängte und sich in der Packung verdichtete war eine der ersten Drogen in meinem Leben. Wofür braucht man Klebstoff wenn es Panini Bild Packungen gab? Ich habe Gleichgesinnte gesucht und gefunden, mit ihnen getauscht, verhandelt, um die Bilder auf dem Schulhof geworfen und sicherlich ein wahnsinniges Vermögen dafür ausgegeben. Was soll’s? Je früher das Album damals voll war umso eher versammelte sich eine Schar bewundernder Augenpaare um einen. Aber heute? Diese Zeiten sind vorbei, zumindest für mich, aber nicht für andere: Das Sammelfieber grassiert im Büro. Stolz präsentierte der Azubi aus meinem Büro heute seine wertvollste Errungenschaft: Das Panini Stickeralbum!!! Seine Freundin, so sagte er, hätte nur mit dem Kopf geschüttelt als er ihr davon berichtet hatte. – Ist das nicht so ein Moment in denen Frauen gerne ein „Männer!“ entfährt?

Sofort tauschte er mit den anderen sammelwütigen Arbeitskollegen. Es ist faszinierend Handel in seiner ursprünglichen Form zu sehen. Mit viel Liebe klebte er die Bilder möglichst gerade ins Album (viel hat nicht gefehlt und er hätte die Wasserwaage zur Hilfe genommen), ordnete die Doppelten und hatte ständig ein kindliches Glitzern in den Augen.
Aber solche Sammelaktionen bringen nicht nur Freude: Die Mitteilung das Azubis, er hätte schon den von allen so schmerzlich vermissten Ronaldinho gerade aus einem frischen Paket gezogen brachte ihm viel Neid entgegen.

Inzwischen beginnen die Arbeitstage neben der Frühstückspause mit einem Besuch bei einem der zahlreichen Kioske wo das Geld in neue Päckchen investiert wird. Doch jeder Euro in Bilder investiert fehlt in der eigenen Tasche. So ist es unter dem Strich nicht weiter verwunderlich, das der Azubi mich heute am Feierabend anflehte ich solle seine Geldbörse in Gewahrsam nehmen. Kann ich irgendwo verstehen: Nach einer Investition in schätzungsweise 20 Päckchen was 120 Bildern, 10€ und zahlreichen doppelten entspricht, würde ich auch mein Geld zur Aufbewahrung abgeben.

Nachtrag

Ich habe nachgefragt: Es waren ca 30€, also 60 Pakete und 360 Bilder.

  1. #1 von Huhn am 24. Mai 2006 - 17:14

    Oh ja, Panini weckt das Kind im Manne – das gute ist, seit in der von mir konsumierten SportBild jede Woche ein Päckchen beiliegt, habe ich mittwochs schon zu früher Zeit Anrufe von jungen Herren, die sich nichts sehnlicher wünschen, als einen Blick in besagtes Päckchen zu werfen. Der große Wurf war bisher aber noch nicht dabei.

    Gut, daß der Kaiser seine kurzzeitige Drohung, sich an der Sammelwut beteiligen zu wollen, nicht wahrgemacht hat!

(wird nicht veröffentlicht)