Hero of the day!


Mit seiner leuchtend, roten Kappe war er in der Menschenmenge nicht zu übersehen. Er hatte sich einen der wenigen Plätze in der U-Bahn ergattert und blätterte entspannt in einem Magazin. Um ihm herum hatte sich ein kleiner Ring an Freifläche gebildet. Keiner der Anwesenden wollte ihm groß zu nahe kommen. Zumindest erschien mir in meiner Ecke der Eindruck als würde dieser Person etwas anhaften was andere Leute verschrecken würde. Vielleicht lag es an seinen stark tätowierten Armen auf denen Flammenzungen starr vor sich hinbrannten. Überhaupt gab es kaum Stellen an sichtbarer Haut die nicht tätowiert waren. Seinen breiten Nacken zierte ein Barcode, den Hals irgendwelche mir unbekannten Zeichen in bunten Farben und ich war mir sicher das unter seinem schwarzen T-Shirt noch andere Kunstwerke seinen Platz gefunden hatten. Überhaupt war er eine sehr massive Gestalt die den Eindruck von regelmäßigen Besuchen in Fitnessstudios machte. So wie er so dar sass kam mir der ansonsten stabile Sitzplatz sehr, sehr zerbrechlich vor. Von Zeit zur Zeit strich er sich mit seiner Pranke über den Mund und schien intensiv etwas in seinem Magazin zu studieren.

Die Bahn kam zum stehen, zischend öffneten sich die Türen, wenige Leute stiegen aus, viele stiegen ein. Es wurde merklich voller, trotzdem blieb der Ring um den Mann bestehen. Lieber sich an einer Stelle sammeln statt zu verteilen schien das Motto in dieser Bahn zu sein.
Während eines weiteren Mundstreichens sah er sinnierenden Blickes auf. Er blickte auf die Menschenmengen die sich respektvoll in einem halben Meter vor ihm formierte. Es hatte etwas von einem König der zwar tiefer als sein Volk saß aber trotzdem zu ihm hinabsah.
Seine Augen wanderten die Reihen entlang als er plötzlich innehielt: Seine gepiercte Augenbraue zuckte nach oben und mit einer, seinem Körper nicht zugetrauten Geschmeidigkeit erhob er sich, stopfte seine Zeitschrift in die Gesäßtasche und ging einen Schritt nach vorne. Er tauchte seine Hand in die Menge und dort wo sie sich entlang bewegte teilte sich die Menge. Ich fühlte mich unweigerlich an die Teilung des Meeres durch Moses erinnert. Aus der Menge zog er eine alte Dame heraus, die mit der einen Hand ängstlich ihrer Handtasche umklammerte und mit der anderen sich auf ihren Stock stützte. „Ich denke sie sind auf diesem Sitz besser aufgehoben als zwischen all den Leuten“ brummte er freundlich vor sich hin. Als er sich umdrehte bemerkte er das ein Jugendlicher sich versuchte an ihm vorbei zu zwängen um den frei gewordenen Platz in Besitz zu nehmen. Er packte den Jungen am Kragen und sah ihm grimmig in die Augen: „Meist Du nicht das andere Leute den Sitz eher benötigen als Du?“ Der Junge setzte zu einer Antwort an, schluckte sie dann aber doch runter, riss sich los und drückte sich in die Menschenmenge wo er dann verschwand. „Ihr solltet euch schämen!“ brummte er vor sich hin und half der alten Dame in den Sitz. Noch bevor sie saß fuhr die Bahn mit einem Ruck an und die alte Dame wäre sicher gestürzt hätte er nicht aufgepasst und ihren Sturz im Vorfeld abgefangen. Behutsam half er ihr sich zu setzen, richtete sich wieder auf und zog seine Zeitschrift hervor während die Menschen um ihm herum verschämt zu Boden oder nach Draußen sahen.

Stumm und leise hielt ich ihm standing ovations von meiner Ecke aus!

  1. #2 von Nuhrfan am 13. Juni 2007 - 18:21

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