Ausgesperrt


„Wie lange haben wir uns nicht mehr gesehen?“ fragt sie und rührt ein Häufchen Zucker in ihren Pfefferminztee. „Unsere Trennung müsste doch sicherlich ein gutes Jahr zurückliegen.“
„Ich weiß nicht, Trennung finde ich nicht unbedingt das richtige Wort – schließlich waren wir offiziell nie zusammen.“ entgegne ich und nehme einen Schluck Kaffee.
„Aber wir beide hatten schon dann und wann mal was laufen. Nicht offiziell, das ist richtig aber eben inoffiziell. Insofern ist Trennung schon das richtige Wort. Also! Wie lange liegt die nun zurück? Ein gutes Jahr, nicht wahr?“
„Ein wenig mehr: Bis heute sind es 473 Tage um genau zu sein“
Verwundert sieht sie mich an: „Du hast die Tage gezählt?“
Ich zucke leicht mit den Schultern: „Nicht wirklich – das hat sich einfach von selbst ergeben.“

Sie legt den Löffel beiseite und sieht in die Tasse.
„Im welchem Monat bist Du jetzt eigentlich?“ frage ich Sie und deute auf ihren Bauch der sich deutlich in einem schönen Bogen abzeichnet. Sie lächelt scheu und sieht erst auf ihren Bauch, dann in mein Gesicht.
„Im fünften“
„Weißt Du schon was es wird?“
„Nein ich lasse mich überraschen.“
„Will er das auch nicht wissen?“
„An sich schon aber ich will nicht, dass er das weiß – das soll unsere gemeinsame Überraschung sein.“
„Und wie sieht der weitere Lebensplan von euch aus? Hochzeit geplant?“

Beim Wort „Lebensplan“ meine ich sie kurz zusammenzucken zu sehen. „Keinen Plan“ ist ihre knappe Antwort darauf. „Momentan ist so vieles im Wandel. Da hat ein Plan nicht so viele Überlebenschance.“
„Aber zumindest seid ihr beiden zusammen und steht das gemeinsam durch – das ist doch was. Ich bin mir sicher, ihr werdet das Kind schon schaukeln.“ Sie lacht kurz auf. Ein paar Erinnerungen rühren sich tief in meinem Herzen. Ihr Lachen war stets etwas erfrischendes für mich und wenn sie danach lächelte fühlte ich mich wohl.

„Und bei Dir? Hast Du jemanden neues kennengelernt?“ fragt sie mich mit eben jenen Lächeln.
„Ja – habe ich.“
„Und?“
„Mal schauen was daraus wird – ich kenne sie nicht lange, ein paar Tage vielleicht. Von daher wäre es jetzt zu früh da irgendwelche Prognosen draus abzuleiten. Vielleicht funktioniert es mit ihr und mir, vielleicht auch nicht. Wird sich zeigen“
„Aber glücklich bist Du doch mit ihr wenn ihr zusammen seid?“
„Wie gesagt, ich kann da nicht viel zu sagen – ich mag sie, das ja, aber alles andere kann ich nicht sagen.“
Sie seufzt leise und wir beide trinken ein wenig in Stille von unseren Getränken.
„Bist Du denn mit ihm glücklich?“ frage ich dann.
„Ich …“ beginnt sie um dann eine Pause einzulegen als müsste sie ihre Gedanken dazu ordnen. „Ich denke schon. Ich meine er tut mir gut, er ist aufmerksam, er ist verliebt in mich und ich bin ganz und gar in seinem Fokus – das ist schön…“
„Aber?“
„Wie gesagt – es ist so vieles im Wandel und das wirbelt mich komplett durcheinander. Manchmal ist mir das alles zu viel und ich sehne mich nach vergangenen Momenten zurück wo ich wirklich weiß das ich mit ihm glücklich war. Wo die Dinge ein wenig einfacher waren…“
„Hmmm, verstehe! Doch das ist letztendlich nur eine Phase – wenn sich die Dinge ein wenig beruhigen und ihr euch für eine Richtung in eurem Leben entschieden habt, wird das Gefühl wieder da sein als wäre es nie weg gewesen.“
„Und wenn es nicht zurück kommt?“
„Das kommt zurück. Hab nur ein wenig Geduld. Wenn Du mich fragst, dann kann ich Dir nur sagen das ich mir sicher bin das dieses Gefühl sogar in Dir drin steckt – vertraue Dir da. Das kommt dann zu rechten Zeit ganz von alleine.“
Sie lächelt und es sticht. Ich hoffe, dass man es mir nicht ansieht und nehme schnell einen weiteren Schluck von meinen Kaffee.
„Wann warst du das letzte Mal glücklich?“
Ich verziehe ein wenig das Gesicht und antworte dann:„Ach das ist schon eine kleine Ewigkeit her.“
„Erzähl mir davon. Wann warst Du das letzte Mal glücklich?“
„Willst Du das wirklich wissen?“
„Ja!“

Ich schließe die Augen und betrachte diesen letzten Moment, dann sehe ich Sie an: „Das letzte Mal wo ich glücklich war, war in den Nächten und an den Morgen an denen ich neben Dir lag und Dich im Schlaf betrachten konnte. Dich so zufrieden und entspannt schlafen zu sehen und dabei noch Deine Hand bzw. Dich im Arm hab halten zu können, das waren die letzten Momente in denen ich wirklich glücklich war.“
Sie schaut mich mit großen Augen an, ihr Mund öffnet sich leicht, sie ringt um Worte aber sie kann keine greifen. Dann senkt sie den Blick. Eine unangenehme Pause entsteht zwischen uns, dann sagt sie ohne ihren Blick zu heben: „Das … tut mir leid. Ich … ich wusste nicht wie viel … Dir … das bedeutet hat“ Ein weitere Pause entsteht, dann schaut sie mich mit feuchten Augen an: „Warum hast Du nie etwas gesagt?“

Ich seufze. „Weil ich dich nie zu greifen bekommen habe. Ich habe nie die Möglichkeit gehabt zu begreifen was in dir vor geht. Was Du denkst, was Du fühlst. Die meiste Zeit war dein Innerstes vor mir verschlossen. Nur manchmal hast du einen Spalt der Türe zu dieser Welt für mich aufgemacht. Ich konnte hineinsehen und so dich zumindest ein wenig verstehen. Das waren eben jene Momente in denen ich glücklich war… weil du es zugelassen hast.“
Eine Träne beginnt ihre Wange herunterzukullern.
„Wann immer ich dachte, dass ich nun einen Zugang zu Dir hatte, hast Du ihn wieder zugemacht und mich ausgesperrt. Du hast es eben ja selbst gesagt: Wir hatten inoffiziell dann und wann etwas miteinander laufen. Ich wusste nicht damit umzugehen. Das ging so lange bis du dich für ihn entschieden hast.“
Weitere Tränen bahnen sich ihren Weg über ihre Wangen.

„Aber das war nicht das eigentliche Problem. Das war vielmehr, das wir nie darüber geredet haben was in uns vorging und das muss ich mir auch selbst ankreiden.“
In Stille weint sie vor sich hin. Ich selbst wische mir etwas Feuchtigkeit aus den Augen, überlege was ich noch sagen kann. Die Situation ist verfahren und ich weiß nicht wie wir noch die Kurve kriegen wollen – da klopft es hinter ihr an der Scheibe. Ich schaue auf und sehe auf der anderen ihre beste Freundin mir zuwinken. Ich lächle und winke zurück, insgeheim froh, das sie nun da ist.

„Sieht so aus als wäre meine Ablösung da.“ leite ich meinen Abgang ein und erhebe mich. Sie beginnt sich hastig mit einer Serviette die Augen zu trocknen. Ich begrüße ihre Freundin ein paar Meter vor unserem Tisch, will ihr so Gelegenheit geben sich zu sammeln. Ihre Freundin bedankt sich das ich Sie die letzte Stunde vertreten habe, das sie nicht geahnt hat plötzlich noch bei einem Kunden wegen eines Problems vorbei zuschauen. Ich antworte, dass es kein Thema gewesen sei und ich mich über die Möglichkeit gefreut habe, sie nach so lange Zeit mal wieder zu sehen. Ich helfe ihrer Freundin aus der Jacke und sie verabschiedet sich kurz auf dir Toilette um sich frisch zu machen.
Während ich mir meinen Mantel überstreife beobachtet sie mich stumm.

„Machs gut“ verabschiede ich mich.
„Lebewohl“ antwortet sie traurig.

Ich bin wieder ausgesperrt. Dieses Mal wohl für immer…

  1. #1 von Hermann am 18. Januar 2010 - 0:53

    Schoen hat Spass gemacht zu lesen!

  2. #2 von Lenny_und_Karl am 31. Januar 2010 - 1:53

    Wenn das die Fortsetzung der Geschichte ist, von der ich glaube dass sie es ist, dann ist das ganz schoen heftig und ich muss grad selbst ne Traene runterschlucken. Remember: You will be paid back in happiness!

(wird nicht veröffentlicht)