Der Gepard


Es war ein herrlich warmer Sonntagnachmittag als Floyd mit seiner Begleitung den Zoo betrat. Die Sonne schien mit dem Azur des Himmels sich einen regelrechten Wettstreit zu liefern wer mehr und schöner von beiden strahlen konnte. Weit und breit war der Himmel klar so als ob Wolken lediglich eine Erfindung des menschlichen Geistes seien.


Der Zoo war gut besucht, bot aber genug Fläche so dass die Menschenmassen sich hervorragend über den ganzen Zoo verteilen konnten. Somit wurde nichts vollständig verdeckt und es gab es auch keinerlei Problem einen Blick auf die Tiere in ihren Gehegen zu erhaschen. Kinder liefen umher, überall gab es was zusehen und ein Tier schien süßer oder imposanter als das nächste zu sein. Da wurden Familienmitglieder von Kinderhand von einem Gehege zum anderen gezerrt, dort wurde ein Bub ausgeschimpft weil er einem Waschbär von seiner Zuckerwatte hatte naschen lassen wollte. Kinder die nicht liefen wurden von den Vätern im Bollerwagen durch die Gegend gezogen. Überall herrschte reges Treiben.

Den Tieren wiederum schien das ganze nicht wirklich nahe zugehen. Mit einer stoischen Ruhe ignorierten sie die Menschen und genossen das gute Wetter. Die Erdmännchen beispielsweise gruben ein wenig im Erdreich und ließen sich die Sonne auf den Bauch scheinen. Die Flusspferde wiederum lagen faul im Sand oder kühlten sich im Wasser ein wenig ab. Meister Petz hingegen hing wie ein nasser Sack auf einer Art von Klettergerüst. Sein dicker Pelz war nicht wirklich von Vorteil bei diesen Temperaturen. Doch, so erschien es Floyd, der Bär schien nicht dran zu denken den Weg in den Schatten anzutreten. Entweder war er hart im nehmen oder einfach zu faul sich bei der Wärme zu bewegen. 
Ein Waschbär tastete in einem kleinen künstlichen Fluss nach etwas essbaren. Er tastete sich vor, dann zurück, einmal links und später einmal rechts herum. Es hatte etwas von einem kleinen Tanz und war putzig anzusehen.
Den meisten Spaß jedoch hatten die Wasserbewohner. Die Robben schwammen vergnügt durch das Wasser, hoben kurz den Kopf, stießen schnaubend ein wenig Wasser aus und tauchten wieder ab. Selbige galt auch für die Pinguine. Abgesehen von einigen wenigen schwammen sie vergnügt im Wasser umher. Der Rest sonnte sich oder putzte sorgfältig sein Gefieder.

Vergnügt und angetan schlenderte Floyd plus Begleitung an den verschiedenen Tieren vorbei. Blieben hier und da mal stehen, machten ein Foto um dann in Ruhe weiter zu schlendern.

Nach einer ganzen Weile, kamen sie zum Gehege der Raubkatzen. Majestätisch war der Anblick allerdings nicht: Löwe wie Löwin lagen träge auf dem Boden und gähnten herzhaft, wobei sie mit ihren Reißzähnen das kurzweilig bei den Zuschauern entstandene Image von Schmusekatzen sorgsam abstreiften.

Im kleineren, anschließenden Gehege war ein Gepard heimisch. Die Wand die ihn von der Außenwelt abtrennte war an einigen Stellen transparent, mit einer Art von Glas versehen. An einer jener Stellen hatte sich eine verhältnismäßig große Anzahl von Menschen eingefunden. Auf der anderen Seite schritt der Gepard auf und ab, auf der anderen klopften kleine Kinder wild und aufgeregt gegen die Scheibe und jauchzten vergnügt auf wenn der Gepard an ihnen vorbei schritt. Immer und immer wieder schritt er nur die eine transparente Stelle ab, so als wolle er sicher gehen auch ja gesehen zu werden. Immer und immer wieder, mit der Routine eines mechanischen Apparates.

Floyd besorgte das Antlitz des Tieres: Müde, sehr müde sah es bei genauer Betrachtung aus. Obwohl sein Gang weich, mit katzenartiger Eleganz und Geschmeidigkeit ausgeführt wurde fehlte ihm etwas. Es wirkte in Floyds Augen keineswegs majestätisch, eher geschauspielert und verbittert. Er ging vor der Wand in die Knie und sah sich das Tier genauer an: Auf und ab, hin und her schritt die Raubkatze umher. Dem Geschrei und dem Geklopfe schenkte sie keine Aufmerksamkeit. Nur Floyd sah sie beim Vorbeigehen kurz aus den Augenwinkeln an so das Floyd sich in Gedanken genötigt sah zu fragen wer hier wen beobachtete. Waren es die Menschen die den Geparden beobachteten oder umgekehrt?

Er erschrak als er in die Augen des Tieres sah. Sie sahen leer und ausgebrannt aus. Das Tier wirkte erschöpft. Was mit ihm los war fragte sich Floyd und verfluchte insgeheim die Kinder die weiter wie toll auf das Glas einschlugen. Der Gepard tat Floyd leid, er empfand dass das Tier unglücklich war. Es war sicher nicht gerne hier, hatte sicher seit seiner Gefangennahme auf die Möglichkeit zur Flucht gehofft und musste zuletzt einsehen, dass es keine Chance für ihn gab die Freiheit wieder zu erlangen. Das Wilde, das Tier in diesem Gepard war gebrochen. Er hatte sich wohl nie wirklich mit seiner Situation arrangieren können und schleppte sich nun durch die Tage mit der wohl irrenden Hoffnung eines Tages vielleicht doch entkommen zu können.

Als Floyd sich erhob wendete sich der Gepard überraschend ab und verschwand im Unterholz, sehr zur Trauer der Kinder die verärgert nach ihm riefen. Floyd sah ihm nach bis er ihn nicht mehr sehen konnte, dann ging er leicht bedrückt weiter. Das ganze erinnerte ihn an etwas, doch es fiel ihm erst zu Hause ein: Von solch einer ähnlichen Situation hatte er gelesen. Es war ein kurzes Gedicht gewesen. Er holte nach einigem Suchen den Gedichtband hervor und las:

Der Panther

Im Jardin des Plantes, Paris

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille –
und hört im Herzen auf zu sein.

Rainer Maria Rilke, 6.11.1902, Paris

Beim Lesen der Zeilen kamen ihm die Momente des Besuchs beim Geparden wieder in den Sinn. Er klappte das Buch zu seufzte schwer über das trauriges Los eines stolzen Wesens.

  1. #1 von Sophie am 14. September 2006 - 23:12

    🙁

    Deswegen sind Zoobesuche auch immer eine zwiespältige Angelegenheit.

  2. #2 von eve am 17. September 2006 - 21:14

    …letztes Jahr ein passendes Bild zum Gedicht unter fotocommunity entdeckt – mir liefen die Tränen! Traurig.

    Nichtsdestotrotz…die heute lebenden Zootiere wurden bereits in der Gefangenschaft geboren und kennen nichts anderes. Viele Zoos verändern bereits ihre Zoo-Landschaften großzügig. Und das verdient Anerkennung.

(wird nicht veröffentlicht)