Schneebären


„Mama! Wann ist es denn soweit?“ fragt ungeduldig der Nachwuchs.
„Gleich!“ antwortet die Mutter und streicht ihrem Sohn über den Kopf. „Gleich mein Schatz, hab ein wenig Geduld“

Aber Geduld hatte der Schatz nicht unbedingt vorzuweisen. Ungeduldig hüpfte er von einem Bein auf das andere. Immer wieder schaute er in den UBahn Schacht hinein, aber die fehlenden Lichter kündigten an, dass die Bahn noch nicht im Zulauf war. Das Hüpfen wandelte sich daraufhin kurzerhand zu einem Stampfen, einem Militärmasch gleichend und wie auf diesen Zuruf erklang in der Ferne das Kratzen der UBahn.

Aus dem Marsch austretend begann der Junge wieder seinen Hüpftanz von vorne bis die Bahn langsam am Bahnsteig einfuhr. Sofort fixierte er die Türe seiner Wahl und positionierte sich selbst direkt vor ihr. Als die Leuchte um den kreisförmigen Knopf sich in grünes Licht tauchte, drückte er mit einem Jauchzen drauf, stürmte nach drinnen, drehte sich nach rechts und lies sich sofort auf die erste Sitzreihe nieder. „Komm schon Mama!“ rief er fröhlich und strahlte dabei wie ein Honigkuchenpferd. Schmunzelnd setzte sich seine Mutter neben ihn.

Ihr folgend, drehte ich mich hingegen nach links und setzte mich zwei Reihen weiter auf eine freie Sitzreihe von wo ich auch den Kleinen beobachten konnte. Fröhlich strahlte er vor sich. Seine Augen funkelten wie Diamanten auf schwarzem Samt. Er freute sich mit der Bahn zu fahren und er freute sich noch mehr als…

„Da ist ja Tante Lydia!“ platzte es aus ihm heraus und zeigte auf die erste Sitzreihe auf meiner Seite. Tante Lydia strahlte ihn an und er strahlte noch mehr. Freudig hob er seinen rechten Arm und zeigte voller Stolz sein schwarzes Schweissband das mit einem weißer Totenschädel verziert war.
„Oho! Ein richtiger Pirat“ sagte Tante Lydia ehrfürchtig und der Kleine strahlte noch mehr. Seine Mutter neben ihm konnte sich ein weiteres Lächeln über ihren Filius nicht verkneifen.

„Wo hast Du das denn herbekommen?“ fragte Tante Lydia und zeigte auf sein Piratenschweissband.
„Das habe ich im Schneeurlaub bekommen.“
„Schneeurlaub“ fragte Tante Lydia verwundert und schaute die Mutter kurz aus den Augenwinkel an die aber nur leise lachend die Schultern zuckte und mit dem Kopf schüttelte.
„Jaaaaaa, im Schneeurlaub mit den Schneebären!“ fuhr der Schatz fort und strahlte nochmehr.

Und während er, mit dieser Fröhlichkeit im Gesicht, von seinem Scheeurlaub inklusive den Schneebären erzählte, welche (unter uns gesagt) bei der beschriebenden Größe und Agilität eher Schneehasen gewesen sein mussten, bemerkte ich wie die Fröhlichkeit, das Lachen und die Freude des Jungen all die um ihn herum positionierten Menschen ansteckte. Mehr und mehr Mundwinkel zuckten nach oben und alle sahen ein wenig verträumt den Jungen an.

Ob sie gerade an Ihre eigenen Kindheit dachten? Als Schneehasen noch Schneebären waren und ein kleiner Totenkopf auf einen Schweissband etwas ganz besonderes waren?
Was auch immer es war an jenem Morgen das der Kleine in allen auslöste, es machte diesen Teil der Bahn wärmer, freundlicher und wärmer…

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